Die letzten dreieinhalb Monate
- saraameziane
- 14. Dez. 2015
- 6 Min. Lesezeit
Hallo ihr Lieben!
Da bin ich mal wieder. Da es schon eine ganze Weile her ist, als ich den letzten Eintrag veröffentlicht habe (innerer Schweinehund lässt grüßen) erzähle ich jetzt mal was so in den letzten dreieinhalb Monaten bei mir los war. Ja richtig gehört DREIEINHALB MONATE! So lange bin ich tatsächlich schon hier. Für mich ist diese Zeit gefühlt rasend schnell vergangen. Jetzt sitze ich grade im Café um die Ecke, trinke Kaffee, esse Meloui (eine Art marokkanischer Crêpe, der gerne zum Frühstück gegessen wird) und überlege wie ich diese lange Zeit am besten zusammenfasse. Am besten fange ich einfach mal da an, wo ich das letzte Mal aufgehört habe: bei meiner Gastfamilie.
Ich muss sagen ich fühle mich wirklich sehr wohl in meiner Gastfamilie, die mich sehr herzlich bei sich aufgenommen hat und immer interessiert daran ist wie es bei mir so läuft und ob es mir gut geht. Der wohl größte Unterschied ist die Anzahl der Familienmitglieder im Haus, denn mit mir sind wir ganze 13 Leute, in Deutschland waren wir ein 4-Personen-Haushalt. Aber zu meiner Überraschung läuft es weniger chaotisch ab als ich zu Anfang befürchtet habe. Das liegt denke ich daran, dass der Alltag schon sehr eingespielt ist und natürlich auch nicht alle immer gleichzeitig zu Hause sind. Zudem befinden sich die Zimmer der Männer in der unteren Etage des Hauses und die Frauen der Familie schlafen in der darüberliegenden. Was ich besonders aufmerksam finde ist, dass die Familie versucht mir möglichst viel Privatsphäre zu geben und zum Beispiel immer anklopft bevor sie in mein Zimmer kommen, was, zumindest in den marokkanischen Familien die ich bisher so besucht habe, normalerweise nicht so üblich ist, vorallem da nicht jedes Familienmitglied sein eigenes Zimmer hat. Am meisten Zeit in der Familie verbringe ich wohl mit meiner 11-jährgen Gastschwester Hind. Sie erzählt mir immer fleißig den neusten Klatsch und Tratsch, gibt mir eine kostenlose Styleberatung oder bringt mir neue Dinge auf Arabisch bei. Zudem ist sie ein rießiger Bollywoodfan, weshalb so ziemlich ständig indische Soaps oder Filme laufen. Sie ist mir aus der Familie wirklich schon besonders ans Herz gewachsen. Außer ihr leben noch ihr 8-jähriger Bruder Adam, ihre Cousins die 3-Jährige Reem und der 7-Monate alte Youssef, ihre Mutter, die Großmutter sowie deren Neffe und Nichte und drei Söhne sowie die Ehefrau von einem von ihnen im Haus. Wenn ihr jetzt verwirrt seid macht euch nichts draus. Es hat einige Zeit gebraucht bis ich diese ganzen Verwandtschaftsgrade entschlüsselt hatte.
Wichtig ist vielleicht noch zu erwähnen, dass ich für sieben Wochen eine Mitbewohnerin in der Familie hatte, mit der ich mir ein Zimmer geteilt habe. Dayala ist allerdings vor zwei Wochen wieder zurück nach Berlin geflogen, da sie in dem Center in dem ich als Freiwillige arbeite nur ein Praktikum für ihr Studium gemacht hat. Wir haben also in der gleichen Familie gewohnt, zusammen gearbeitet und hatten dazu auch noch den gleichen Freundeskreis mit dem wir nach der Arbeit und am Wochenende Zeit verbracht haben waren also quasi 24/7 zusammen. Man sollte denken, dass das ja eigentlich keine 2 Wochen gut gehen kann bis man sich gegenseitig so auf die Nerven geht, dass es im Streit endet. Doch überraschenderweise haben wir uns die ganzen 7 Wochen durch ohne Probleme super verstanden und waren am Ende schon so aneinander gewöhnt, dass uns der Abschied ganz schön schwer gefallen ist.
Verreist bin ich auch schon seit ich hier bin. Einmal zusammen mit Freunden von der Organisation in den Norden Marokkos in die Städte Chefchaouen, Tetouan und Ceuta (Ceuta gehört allerdings zu Spanien) und bereits zwei Wochenenden nach Fes zu meinen Großeltern. Dort habe ich auch das erste Mal beim Schafschlachten zugeschaut habe, dass hier zu besonderen Anlässen üblich ist. (keine Angst: Fotos folgen..ob ihr wollt oder nicht) In diesem Fall war es das Opferfest (عيد الأضحى), eines der bedeutensten islamischen Feste und dauerte insgesamt 4 Tage. Man konnte den Beginn dieses Festes schon Tage vorher erahnen, als der Verkehr plötzlich angehalten wurde, weil eine Schafsherde mitten in der Stadt über die Straße musste oder man generell plötzlich überall Schafe sah oder hörte. Ob in Hinterhöfen oder Garagen, auf Kleintransportern oder einfach auf der Rückbank eines Autos, sie waren überall.Wenn ich eins mit Sicherheit sagen kann, dann dass ich nach diesen vier Tagen kein Schaffleisch mehr sehen oder schmecken konnte. Trotzdem fand ich es eine ziemlich gute Erfahrung mal beim Schlachten eines bzw. zwei Schafen zuzuschauen. Immerhin sieht man so mal wie das Stück Fleisch, das wir mehr oder weniger regelmäßig essen auch zu solch einem wird.
In diesen fünf Tagen in denen ich meine Familie besuchte fuhr ich unter anderem mit meinem Cousin Sami und einem seiner Freunde nach Imouzzer, einer Kleinstadt in den Bergen nahe Fes, um dort das Haus meiner Tante zu besuchen in dem gerade die Vorbereitungen für die Verlobungsfeier einer Nachbarin liefen, an der ich einen Tag später auch teilnahm. Von dort fuhren wir dann zusammen mit meiner Cousine Lamiae in das etwas weiter in den Bergen gelegene Ifrane, wo sie mir ihre Universität zeigte. Es war ziemlich komisch vom 30 Grad warmen Fes nach nur 40 min Autofahrt plötzlich im ziemlich frostigen Ifrane zu sein. Das ist so eine eine der Besonderheiten in Marokko: Während du in Gegenden wie Ifrane im Winter Ski fahren kannst, kannst du zur gleichen Zeit mit dem Snowboard eine Sanddüne in der Sahara runterfahren oder in Agadir am Strand liegen. Das Klima und die Landschaft sind innerhalb eines einzigen Landes so unterschiedlich dass man beides nicht für Marokko generell pauschalisieren kann.
Neben dem Reisen und dem Leben in meiner Gastfamilie tu ich aber auch natürlich auch noch was. Während ich den ersten Monat in Marokko ausschließlich Arabischunterricht von einem Mitglied der Organisation bekam, ging es Anfang Oktober dann in mein erstes Projekt. Dort habe ich in einer Art Vorschule für vier bis fünfjährige Kinder Englischunterricht gegeben, was gar nicht so einfach war, da es zum einen ohne die Lehrerin im gleichen Raum schwer war die Kinder zur Ruhe zu bringen und zum anderen die Kinder bis auf einen Tag in der Woche immer ganztags Unterricht hatten, weshalb sie nachmittags verständlicherweise mäßig aufnahmefähig waren und regelmäßig im Unterricht einschliefen. Da dieses Projekt aber sowieso nur als eine Art Übergang gedacht war bis das Projekt, in dem ich eigentlich arbeiten sollte, von der deutschen Organisation abgesegnet wurde, verließ ich die Schule nach nur zwei Wochen wieder und fing ab dann in dem Center Lalla Meriem an, das im Stadtzentrum Rabats liegt und in etwas weniger als 10 Minuten mit dem Taxi von meinem zu Hause aus zu erreichen ist. Bei dem Center handelt es sich um eine Einrichtung für Waisen sowie Menschen mit zum Teil starker körperlicher und geistiger Behinderung. Momentan arbeite ich dort mit den kleinsten Waisen, also Babies im Alter von ein paar Wochen bis zu eineinhalb Jahren. Ich helfe hier beim Füttern der Kinder und beschäftige mich mit ihnen. Dabei gehen wir manchmal in den Garten in dem sich vormittags auch die anderen Bewohner des Heims aufhalten und spielen dort mit den Kindern oder üben ihre ersten Schritte. Die Arbeit gefällt mir bisher wirklich gut und die Mitarbeiter des Centers sind alle sehr freundlich und helfen mir gerne wenn ich Fragen habe. Außerdem ist die Arbeit dort eine super Möglichkeit neue Menschen kennenzulernen, da immer wieder neue Freiwillige oder Praktikanten, ob aus Marokko oder dem Ausland, dazustoßen mit denen man schnell ins Gespräch kommt. Generell kann ich mir auch gut vorstellen nach ein paar Monaten die Station zu wechseln um mit den Bewohnern mit Behinderung zu arbeiten, da ich auch gerne Erfahrungen in diesem Arbeitsfeld sammeln möchte.
Wie ich zuvor schon erwähnt habe treffe ich mich nach der Arbeit dann meist mit Freunden in der Stadt. Wir gehen in Cafés, ins Kino oder kochen auch ab und zu zusammen. Eigentlich nicht viel anders als das Treffen mit meinen Freunden in Deutschland. In meiner Freizeit habe ich außerdem noch einen Tandemsprachkurs. Ich gebe einem marokkanischem Studenten, der seinen Master später gerne in Deutschland machen will, Deutschunterricht und bekomme dafür Unterricht in Arabisch beziehungsweise Darija (dem marokkanischen Dialekt, der faktisch schon eine eigene Sprache ist) von ihm. Das läuft echt ziemlich gut und ich habe seitdem schon eine Menge dazugelernt. Trotzdem werde ich vermutlich ab Januar zusätzlich dazu mit einem professionellen Sprachkurs auf Hocharabisch anfangen, da ich neben Darija auch das gerne lernen möchte. Gefährlich ist im Moment, dass ich relativ viel auf Französisch ausweiche, da man damit hier natürlich auch ganz gut durchkommt und es manchmal einfach bequemer ist etwas direkt auf Französisch zu sagen, als sich erst einen Satz auf Arabisch zurechtzulegen um ihn dann irgendwie daher zu stammeln. Aber naja, wenn ich in Zukunft versuche mehr darauf zu achte bin ich sicher dass sich mit der Zeit nicht nur mein Französisch sondern auch mein Arabisch verbessert.
So! Das wars erstmal von mir. Ich wünsche euch allen schon mal schöne Weihnachten und erholsame Feiertage. Wusstet ihr übrigens, dass in diesem Jahr der Geburtstag des Propheten Mohammeds auf den gleichen Tag wie Heiligabend fällt? Wenn das mal kein schönes Zeichen in Bezug auf die derzeitige Diskussion ist.
In diesem Sinne: Habt euch alle lieb und ich melde mich bald wieder!
Eure Sara
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