Als Frau in Marokko
- saraameziane
- 6. März 2016
- 2 Min. Lesezeit
Männercafés. Vorwiegend wahrscheinlich ein Phänomen der arabischen Welt. Für die unter euch, die sich darunter nicht viel vorstellen können: Ich meine damit Cafés, an denen auschließlich Männer an Tischen draußen sitzen, die den lieben langen Tag nichts Besseres zu tun haben, als die Leute zu beobachten, die den angrenzenden Gehweg oder die Straße passieren. Kein Mädchen, keine Frau mag es, ohne männliche Begleitung an diesen Cafés vorbeizulaufen. Denn wenn man Pech hat, bekommt man gleich von mehreren Tischen gleichzeitig vielsagende Blicke zugeworfen, wird dreckig angegrinst und hört Pfiffe oder irgendwelche anzüglichen Bemerkungen. Doch natürlich passiert das nicht nur von den Cafés aus, sondern gefühlt mindestens jedes zweite Mal, wenn man an einem Mann vorbeiläuft und dabei entweder alleine oder nur mit Mädchen unterwegs ist. Zu Anfang hat mir das noch vergleichsweise wenig ausgemacht, stattdessen habe ich es eher mit Humor genommen, wenn ich mal wieder angezischt wurde, als wäre ich etwa eine Katze, die man versucht anzulocken. Doch nach 6 Monaten merke ich immer mehr, wie ernst das Thema eigentlich ist und wie überhaupt nicht lustig. Denn ich kann nicht einmal vom Haus meiner Gastfamilie zum Taxi laufen, ohne blöd angemacht zu werden. Mittlerweile nehme ich sogar lieber das teurere Taxi, nur um nicht den längeren Weg zum günstigen gehen zu müssen, der unter anderem eben auch an solch einem Café vorbeiführt. Kann es das sein? Dass ich mich einschränke, nur weil ein paar Vollidioten nicht wissen, wie man sich benimmt?
Das größere Problem ist aber eigentlich, dass soetwas eben nur passiert, wenn du ohne einen Mann untwerwegs bist. Sobald ich oder meine Freundinnen außerdem noch mit einem oder mehreren männlichen Freunden unterwegs sind, traut sich nämlich nicht ein einziger dieser Männer uns auch nur anzuschauen. Als wäre eine Frau eben nur dann zu respektieren, wenn sie bereits in der Hand von jemandem ist. Das liegt eben unter anderem daran, dass mann von frau außer einem genervten Blick nicht viel zu befürchten hat, von einer männlichen Begleitung hingegen schon. Mittlerweile habe ich mich wohl schon daran gewöhnt und ich ignoriere solche Situationen einfach oder versuche, sie so gut es geht auszublenden. Doch gelegentlich bin ich so gereizt, dass ich auch mal laut werde oder (einmalige Ausnahme!) so einem Kerl vor die Füße spucke.
So offen und liberal Rabat im Vergleich zu anderen marokkanischen Städten auch sein mag. So viele tolle, herzliche und vorallem hilfsbereite Menschen ich während meines Aufenthalts schon kennenlernen durfte, ist Marokko eben auch das: eine Gesellschaft, in der die tägliche Belästigung von Frauen stillschweigend akzeptiert und toleriert wird.
Soweit ich das beurteilen kann, liegt das Hauptproblem darin, dass Frauen dazu angehalten werden, sich möglichst unprovokativ zu verhalten oder diese Situationen einfach nicht als etwas Schlimmes anzusehen, anstatt schon den Jungen beizubringen, dass so ein Verhalten falsch und eine Erniedrigung von Frauen ist. Natürlich ist noch lange nicht jeder Mann in Marokko so drauf, sondern nur ein mittelgroßer Teil und ich glaube und hoffe, dass dieses Problem mit den Jahren immer weiter zurückgehen wird. Bis dahin werde ich wohl immer wieder mit der Frage konfrontiert werden: Reagieren oder Ignorieren?
Zu dem Thema gab es einen sehr guten Artikel im SPIEGEL ONLINE, den es sich auf jeden Fall zu lesen lohnt! Der Link dazu ist unter diesem Text.
Liebe Güße an euch alle aus dem, trotzalledem, schönen Marokko,
Sara.
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/marokko-die-frau-ist-kein-selbststaendiges-wesen-a-1076170.html
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